„Wir müssen miteinander reden“

Infoveranstaltung zu einer geplanten Notunterkunft für Asylbewerber, die Zweite: Wie bereits am Dienstag in der 3. Schule, ist auch das Foyer des Reclam-Gymnasiums brechend voll. Schul- und Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) informiert die anwesenden Eltern, Schüler und Anwohner darüber, dass voraussichtlich ab September im alten Gebäude der Pablo-Neruda-Schule bis zu 150 Asylbewerber untergebracht werden sollen. Dafür wird es zunächst ein wenig hergerichtet, werden die Sanitäranlagen gemacht, gemalert, ein Duschcontainer außen aufgestellt. Der Stadtrat hatte tags zuvor den Planungsbeschluss für das Gebäude gefasst, 5,4 Millionen Euro sollen ab nächstem Jahr investiert werden, damit das Gebäude zunächst eine Grundschule beherbergen und später die zum Französischen Schulzentrum (FRANZ) gehörende Oberschule einziehen kann.

Während am Dienstagabend in der 3. Schule die Atmosphäre durch die Außentemperaturen aufgeheizt war, kochen im Reclam bisweilen die Emotionen hoch. Auf die Frage, was das denn für Menschen seien, die in die Schule ziehen, kann Sozialamts-Leiterin Martina Kador-Probst keine Antwort geben. „Das erfahren wir auch erst immer für die Folgewoche“, erklärt sie. Betreiben wird die Einrichtung European Homecare – wie auch die Gemeinschaftsunterkunft in der alten 3. Schule. Dass die Menschen auch Ängste haben, zeigt sich in der anschließenden Diskussion deutlich. Jegliche Form von Fremdenhass wird von Kador-Probst jedoch im Keim erstickt: „Ja, es sind nicht nur Krieg und politische Verfolgung, weshalb sich Leute aus anderen Ländern auf den Weg nach Deutschland machen. Es ist beispielsweise auch Armut“, sagt sie klar, deutlich und bestimmt. „Aber auch Deutsche haben sich in den letzten Jahrhunderten auf den Weg in andere Länder gemacht, weil es ihnen hier nicht gut ging. Und es ist total legitim für seine Familie das Beste zu wollen.“ Einigen ist das zu viel, sie verlassen nach diesem Satz die Veranstaltung.

Zwei Schüler des Reclam-Gymnasiums melden sich noch vor Ort, um Paten für einen Flüchtling zu werden, Bürgervereine, Kirchgemeinde und Privatpersonen bieten Hilfe an. „Wir freuen uns über jede Hilfe“, so Kador-Probst. „Ansprechpartner sind dann die jeweiligen Sozialarbeiter vor Ort.“ Drei werden das in der alten Pablo-Neruda sein. Einer je 50 Asylbewerber. Dieser Schlüssel, so macht Betreiber European Homecare deutlich, sei ideal. Der Freistaat Sachsen gebe einen Schlüssel von 1:150 vor.

Zum Abschluss kommt der Elternrat der Pablo-Neruda-Schule zu Wort. Die stellvertretende Vorsitzende Carola de Groote hält sich nicht ans Manuskript, spricht frei ihre Gedanken aus: „Ich wünsche mir, dass wir nicht übereinander, sondern miteinander reden. Wir sind vor 25 Jahren auch auf die Straße gegangen, um dorthin zu dürfen, wo wir hinwollen. Das sollten wir insbesondere in Leipzig nicht vergessen.“ (LP)

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